Fahrzeug-Setup Guide für Le Mans Ultimate

Fahrzeug-Setup Guide für Le Mans Ultimate

Einleitung: Die Philosophie des Fahrzeug-Setups in Le Mans Ultimate

Das Erstellen eines Fahrzeug-Setups in Le Mans Ultimate (LMU) ist eine Kunst, die auf wissenschaftlichen Prinzipien beruht. Es geht nicht darum, eine magische Formel zu finden, sondern darum, ein tiefes Verständnis für die Fahrzeugdynamik zu entwickeln. Jede einzelne Einstellung ist ein Kompromiss, ein Abwägen zwischen widersprüchlichen Zielen, um die optimale Balance für eine bestimmte Strecke, ein bestimmtes Fahrzeug und einen bestimmten Fahrstil zu finden.

Grundlagen: Der fundamentale Kompromiss

Im Kern jedes Setups steht der fundamentale Kompromiss zwischen mechanischem und aerodynamischem Grip. Mechanischer Grip wird durch die Reifen und das Fahrwerk erzeugt und ist bei niedrigen Geschwindigkeiten dominant. Aerodynamischer Grip wird durch den Heckflügel, den Unterboden und andere aerodynamische Elemente erzeugt und gewinnt mit zunehmender Geschwindigkeit an Bedeutung.[1, 2] Eine weichere Federung kann den mechanischen Grip auf unebenen Strecken erhöhen, beeinträchtigt aber die Stabilität der aerodynamischen Plattform bei hohen Geschwindigkeiten. Ein steilerer Heckflügel erhöht den Anpressdruck in schnellen Kurven, reduziert aber die Höchstgeschwindigkeit auf den Geraden. Das Ziel ist es, nicht die schnellste einzelne Kurve zu fahren, sondern die schnellste und konstanteste Rundenzeit über einen gesamten Stint zu erzielen.

Die Methodik: Ein wissenschaftlicher Ansatz

Ein erfolgreicher Ansatz zur Setup-Entwicklung erfordert eine systematische und disziplinierte Vorgehensweise. Der Prozess beginnt immer mit einer Basislinie. Fahren Sie zunächst 5 bis 10 konstante Runden mit dem Standard-Setup, um ein Gefühl für das grundlegende Verhalten des Fahrzeugs zu bekommen und Referenz-Rundenzeiten zu setzen.[3] Notieren Sie sich, wo das Auto untersteuert, wo das Heck instabil wird und wie es auf Kerbs und Bodenwellen reagiert.

Anschließend gilt die goldene Regel: Ändern Sie immer nur eine Einstellung auf einmal.[3] Nur so können Sie die spezifische Auswirkung dieser einen Änderung isolieren und bewerten. Eine gleichzeitige Änderung von Stabilisator und Federrate würde es unmöglich machen zu bestimmen, welche Änderung für die gefühlte Verbesserung oder Verschlechterung verantwortlich war. Dieser methodische Ansatz verhindert Verwirrung und führt zu einem echten Verständnis der komplexen Kausalzusammenhänge in der Fahrzeugdynamik.

Fahrerfeedback als entscheidendes Instrument

Das wichtigste Werkzeug bei der Setup-Entwicklung ist das subjektive Gefühl des Fahrers. Telemetriedaten sind wertvoll, aber sie können das Gefühl für die Balance und das Vertrauen in das Fahrzeug nicht ersetzen. Dieser Guide soll Ihnen beibringen, wie Sie Ihr Feedback – "Das Auto lenkt nicht ein", "Das Heck fühlt sich beim Bremsen nervös an" – in konkrete, technische Probleme übersetzen, die durch gezielte Setup-Anpassungen gelöst werden können.[3, 4]

Es ist dabei von entscheidender Bedeutung zu verstehen, dass das Setup in LMU kein statisches Ziel ist. Die Simulation, geerbt von der rFactor 2-Engine, zeichnet sich durch ein komplexes und sich ständig weiterentwickelndes Reifenmodell aus.[5, 6] Ein "Meta"-Setup, das heute als optimal gilt, kann nach dem nächsten Patch bereits veraltet sein. Fahrer, die sich nur auf das Kopieren von Einstellungen verlassen, werden langfristig Schwierigkeiten haben. Der erfolgreiche Sim-Racer muss die Prinzipien hinter jeder Einstellung verstehen, um sein Setup an die sich ändernde Physik anpassen zu können. Dieser Guide legt daher den Fokus nicht nur auf das "Was", sondern vor allem auf das "Warum".

Sektion 1: Das Fundament - Reifen und Grip

Die Reifen sind die einzige Verbindung zwischen dem Fahrzeug und der Strecke. Ihre optimale Nutzung ist die absolute Grundlage für ein schnelles und konstantes Setup. Alle anderen Einstellungen am Fahrzeug dienen letztlich dazu, die Reifen in ihrem optimalen Arbeitsfenster zu halten.

1.1 Reifendruck (Tyre Pressure): Der primäre Grip-Faktor

Der Reifendruck ist eine der kritischsten Einstellungen, da er die Größe und Form der Reifenaufstandsfläche direkt beeinflusst.

  • Grundprinzip: Ein niedrigerer Reifendruck führt zu einer größeren Aufstandsfläche. Dies erhöht den mechanischen Grip, führt aber auch zu mehr Rollwiderstand und einer stärkeren Wärmeentwicklung im Reifen.[3] Ein höherer Druck verkleinert die Aufstandsfläche, was den Rollwiderstand verringert und die Höchstgeschwindigkeit leicht erhöht, aber den mechanischen Grip reduziert.
  • LMU-Spezifika: Le Mans Ultimate hat von der rFactor 2-Engine eine Eigenschaft geerbt, die oft als "Meta" bezeichnet wird: Minimaler Reifendruck führt in der Regel zum höchsten mechanischen Grip. Dies wird von der Community als etwas realitätsfern ("immersion-breaking") angesehen, ist aber eine grundlegende Eigenschaft der Simulation, die man kennen muss.[7, 8]
  • Praktische Anwendung: Das Ziel ist es, den Kaltdruck im Setup-Menü so einzustellen, dass der Heißdruck nach einigen Runden im optimalen Fenster liegt. Dieses Fenster variiert je nach Fahrzeug und Reifenmischung, aber ein guter Richtwert liegt oft im Bereich von 1.8 bar bis 1.9 bar (180-190 kPa).[8] Die Überwachung der Reifentemperaturen und -drücke über Telemetrie-Tools wie SimHub oder MOTEC ist hierfür unerlässlich.

1.2 Radgeometrie (Sturz & Spur / Camber & Toe): Optimierung der Reifenposition

Sturz und Spur sind entscheidend, um die Position des Reifens zur Fahrbahn unter dynamischen Lasten zu optimieren. Eine weit verbreitete Fehlannahme unter Anfängern ist, diese Einstellungen zur Korrektur von Unter- oder Übersteuern zu verwenden. Dies ist jedoch ineffizient und führt zu suboptimalem Reifenverschleiß. Die primäre Aufgabe der Radgeometrie ist die Maximierung der Reifenaufstandsfläche und die Optimierung der Reifentemperatur.[3]

  • Sturz (Camber): Dies ist der vertikale Winkel des Rades zur Fahrbahn. Negativer Sturz bedeutet, dass die Oberseite des Reifens nach innen zum Fahrzeug geneigt ist (visuell: / \).[9] In Kurven neigt sich das Chassis nach außen, und der negative Sturz hilft dabei, den Reifen flach auf der Straße zu halten, was die Aufstandsfläche und somit den Kurvengrip maximiert. Zu viel negativer Sturz verringert jedoch die Aufstandsfläche beim Geradeausfahren, was die Bremsleistung und Traktion beeinträchtigt und den Verschleiß an der Reifeninnenseite erhöht.[3] LMU erfordert tendenziell geringere negative Sturzwerte als andere Simulationen wie Assetto Corsa Competizione.[10] Das Ziel ist eine möglichst gleichmäßige Temperaturverteilung über die Lauffläche (innen, mitte, außen), die mittels Telemetrie überprüft wird.
  • Spur (Toe): Dies ist der horizontale Winkel der Räder in Fahrtrichtung.
    • Vorderachse: Vorspur (Toe-In), bei der die Vorderseiten der Räder zueinander zeigen, erhöht die Stabilität auf Geraden. Nachspur (Toe-Out), bei der sie voneinander weg zeigen, verbessert das Einlenkverhalten ("Turn-in"), macht das Auto aber auf Geraden nervöser.[3]
    • Hinterachse: Eine leichte Vorspur (Toe-In) ist hier fast immer erwünscht. Sie stabilisiert das Heck des Fahrzeugs, insbesondere beim Beschleunigen aus Kurven und bei hohen Geschwindigkeiten.[3, 11]

1.3 Reifenmischungen (Tyre Compounds): Strategische Wahl

Die Wahl der richtigen Reifenmischung ist eine strategische Entscheidung, die hauptsächlich von der Streckentemperatur und der Renndauer abhängt.

  • Funktionsweise: Jede Mischung (Soft, Medium, Hard) hat ein optimales Arbeitstemperaturfenster. Weiche Reifen (Softs) funktionieren am besten bei kühleren Streckentemperaturen, da sie schneller auf Temperatur kommen und mehr Grip bieten. Bei hohen Temperaturen überhitzen sie jedoch schnell und bauen stark ab. Harte Reifen (Hards) sind für heiße Streckenbedingungen konzipiert, da sie thermisch stabiler sind, aber bei kühlen Bedingungen nur schwer auf Temperatur zu bringen sind.[12, 13]
  • Reglement: Ein wichtiger Faktor in LMU ist die realistische Umsetzung der WEC-Regularien. Diese beschränken den Einsatz der weichen Reifenmischung auf bestimmte Strecken, wie zum Beispiel Le Mans und Spa-Francorchamps.[12] Auf anderen Strecken müssen die Teams und Fahrer mit den Medium- und Hard-Mischungen auskommen, selbst wenn die Bedingungen für Softs ideal wären.

Sektion 2: Die Dynamik des Chassis - Fahrwerkseinstellungen

Das Fahrwerk ist das Bindeglied zwischen dem Chassis und den Reifen. Seine Aufgabe ist es, die Reifen mit möglichst konstantem Druck auf der Fahrbahn zu halten und die Gewichtsverlagerungen des Fahrzeugs zu kontrollieren.

2.1 Federn, Bodenfreiheit und Rake (Springs, Ride Height & Rake): Die Basis der Plattform

Diese drei Einstellungen definieren die grundlegende Haltung und das Verhalten des Fahrzeugs.

  • Federrate (Spring Rate): Dies ist die Härte der Federn. Weichere Federn erlauben mehr Radbewegung und können so den mechanischen Grip auf unebenen Strecken wie Sebring verbessern, da der Reifen dem Boden besser folgen kann.[1, 14] Der Nachteil ist eine trägere Reaktion auf Lenkbefehle und mehr Wank- und Nickbewegungen des Chassis.[3, 15] Härtere Federn sorgen für eine direktere und agilere Reaktion und halten die aerodynamische Plattform (den Unterboden) bei hohen Geschwindigkeiten stabiler. Auf glatten Strecken sind sie daher oft die bessere Wahl, reduzieren aber den mechanischen Grip auf Bodenwellen.[3, 15]
  • Bodenfreiheit (Ride Height): Dies ist der Abstand zwischen dem Unterboden des Fahrzeugs und der Fahrbahn. Eine geringere Bodenfreiheit senkt den Schwerpunkt, was die Agilität verbessert, und erhöht die Effizienz des Unterbodens (Bodeneffekt), was zu mehr Abtrieb führt. Der Nachteil ist das erhöhte Risiko des Aufsetzens ("Bottoming out") auf Bodenwellen oder über Kerbs, was zu einem plötzlichen Gripverlust führen kann.[3, 16]
  • Rake: Dies bezeichnet die Höhendifferenz zwischen der hinteren und vorderen Bodenfreiheit, wobei das Heck typischerweise höher eingestellt ist als die Front. Ein positiver Rake (Heck höher) erhöht den Anstellwinkel des Frontsplitters und des Unterbodens, was den aerodynamischen Druckpunkt nach vorne verschiebt. Dies kann das Einlenkverhalten verbessern, aber auch zu Instabilität bei hohen Geschwindigkeiten führen, da das Heck aerodynamisch entlastet wird.[1, 3, 17]

2.2 Stabilisatoren (Anti-Roll Bars - ARBs): Das primäre Balance-Werkzeug

Der Stabilisator, auch Anti-Roll Bar (ARB) genannt, verbindet die linke und rechte Radaufhängung einer Achse und reduziert die Rollneigung des Chassis in Kurven. Er ist das wichtigste und effektivste Werkzeug, um die Balance zwischen Unter- und Übersteuern in der Kurvenmitte zu justieren.[1]

  • Vorderer Stabilisator:
    • Härter: Reduziert die Wankneigung vorne, was zu einer direkteren Reaktion führt. Dies verlagert die Balance in Richtung Untersteuern, da das kurveninnere Vorderrad stärker entlastet wird.[3, 15, 18]
    • Weicher: Erlaubt mehr Wankneigung vorne und verlagert die Balance in Richtung Übersteuern (reduziert das Untersteuern).[3]
  • Hinterer Stabilisator:
    • Härter: Reduziert die Wankneigung hinten. Dies verlagert die Balance in Richtung Übersteuern und hilft dem Auto, in der Kurvenmitte und am Ausgang zu rotieren.[3, 18]
    • Weicher: Erlaubt mehr Wankneigung hinten und verlagert die Balance in Richtung Untersteuern, was das Heck am Kurvenausgang stabilisiert.[3]

2.3 Dämpfer (Dampers): Die Kontrolle der Bewegungsgeschwindigkeit

Dämpfer sind eines der komplexesten Themen im Fahrzeug-Setup. Ihre Aufgabe ist es nicht zu bestimmen, wie weit sich eine Feder ein- oder ausfedert, sondern wie schnell sie dies tut.[15, 19] Sie kontrollieren die Energie der Federbewegung und sind entscheidend für die Stabilität des Fahrzeugs bei Gewichtsverlagerungen und über Unebenheiten. Man unterscheidet zwischen Druckstufe (Bump), die das Einfedern kontrolliert, und Zugstufe (Rebound), die das Ausfedern kontrolliert. Beide werden weiter in "Slow" und "Fast" unterteilt.

  • Slow Bump & Rebound: Diese Einstellungen beeinflussen die Reaktion auf langsame, vom Fahrer initiierte Bewegungen wie Lenken, Bremsen und Beschleunigen. Sie kontrollieren die generelle Gewichtsverlagerung und das Wanken und Nicken des Chassis.[1, 15] Eine härtere Slow Bump-Einstellung führt zu einer schnelleren, "knackigeren" Reaktion, kann das Auto aber instabiler machen. Eine weichere Einstellung sorgt für mehr Grip, macht das Auto aber träger.[15, 20]
  • Fast Bump & Rebound: Diese Einstellungen regeln die Reaktion auf schnelle, hochfrequente Stöße von der Strecke, wie das Überfahren von Kerbs und Bodenwellen.[1, 15, 21] Weichere Fast-Einstellungen sind hier entscheidend, damit der Reifen schnell wieder Kontakt zur Fahrbahn findet und nicht über die Unebenheit "springt".
  • Packers & 3. Federelement (Bump Stops): Packers (auch Bump Stops genannt) sind mechanische Anschläge, die den Federweg begrenzen und ein hartes Aufsetzen des Chassis auf der Fahrbahn verhindern.[16, 22] Das 3. Federelement, das bei Prototypen zu finden ist, wirkt auf beide Räder einer Achse gleichzeitig und ist entscheidend für die Kontrolle der aerodynamischen Plattform bei hohen Geschwindigkeiten, da es das "Zusammensacken" des Fahrzeugs durch den zunehmenden Abtrieb verhindert.[16, 22]

In Le Mans Ultimate ist das Fahrwerk mehr als nur ein Werkzeug für mechanischen Grip. Aufgrund der WEC-Regularien, die nur ein einziges verstellbares aerodynamisches Bauteil (meist den Heckflügel) erlauben, gibt es keine direkte Möglichkeit, den vorderen Abtrieb anzupassen.[23] Stattdessen wird die aerodynamische Balance primär über das Fahrwerk gesteuert. Eine Erhöhung des Rake oder eine Versteifung der vorderen Federn und des 3. Elements verändert den Anstellwinkel des Unterbodens und verhindert, dass die Front bei hohen Geschwindigkeiten zu stark komprimiert wird. Dies stabilisiert die aerodynamische Plattform und beeinflusst direkt das Verhältnis von vorderem zu hinterem Abtrieb. Das Fahrwerk muss also als ein duales System verstanden werden, das sowohl den mechanischen Grip bei niedrigen Geschwindigkeiten als auch die aerodynamische Plattform bei hohen Geschwindigkeiten kontrolliert.

Sektion 3: Effizienz und Stabilität - Aerodynamik

Die Aerodynamik spielt bei den Hochleistungsfahrzeugen der WEC eine entscheidende Rolle. Sie erzeugt den Anpressdruck (Downforce), der das Fahrzeug auf die Straße presst und hohe Kurvengeschwindigkeiten ermöglicht.

3.1 Heckflügel (Rear Wing): Der Kompromiss zwischen Kurve und Gerade

Der Heckflügel ist das primäre und direkteste Werkzeug zur Anpassung des Gesamtabtriebs und der aerodynamischen Balance.

  • Hoher Anstellwinkel: Erzeugt mehr Abtrieb am Heck. Dies führt zu mehr Stabilität und Grip in mittelschnellen und schnellen Kurven. Der Nachteil ist ein erhöhter Luftwiderstand, der die Höchstgeschwindigkeit auf den Geraden reduziert.[1, 3] Diese Einstellung ist ideal für kurvenreiche Strecken mit wenigen langen Geraden.
  • Niedriger Anstellwinkel: Reduziert den Abtrieb und den Luftwiderstand. Dies führt zu einer höheren Endgeschwindigkeit, was auf Strecken wie Monza oder Le Mans entscheidend ist. Allerdings wird das Fahrzeugheck in schnellen Kurven instabiler und erfordert mehr Feingefühl vom Fahrer.[24, 25]

3.2 Bremsbelüftung (Brake Duct / Blanking): Kühlung vs. Luftwiderstand

Die Einstellung der Bremsbelüftung ist ein oft übersehener, aber wichtiger Aspekt des Aero-Pakets.

  • Funktion: Offenere Lufteinlässe leiten mehr Kühlluft zu den Bremsscheiben und -sätteln, was eine Überhitzung verhindert. Dies erzeugt jedoch auch mehr Luftwiderstand. Geschlossenere Lufteinlässe (Brake Blanking) verbessern die Aerodynamik, indem sie den Luftwiderstand verringern und bei den vorderen Einlässen sogar den Abtrieb an der Vorderachse geringfügig erhöhen können.[9]
  • Strategie: Das Ziel ist ein Kompromiss. Die Belüftung sollte so weit wie möglich geschlossen werden, um den aerodynamischen Vorteil zu maximieren, ohne dass die Bremsen ihre optimale Betriebstemperatur überschreiten und an Leistung verlieren (Brake Fade). Dies ist eine Feinabstimmung, die für jede Strecke und sogar für unterschiedliche Außentemperaturen angepasst werden muss. Für ein Qualifying über eine Runde kann man oft eine aggressivere (geschlossenere) Einstellung wählen als für ein langes Rennen.

Sektion 4: Kraftübertragung und Kontrolle - Antriebsstrang und Elektronik

Der Antriebsstrang und die elektronischen Fahrhilfen sind entscheidend dafür, wie die Kraft des Motors auf die Straße gebracht wird und wie das Fahrzeug unter Last reagiert.

4.1 Differenzial (Differential): Steuerung der Radrotation

Das Differenzial gleicht die unterschiedlichen Raddrehzahlen zwischen dem kurveninneren und kurvenäußeren Rad aus. Einstellbare Sperrdifferenziale erlauben es, das Maß dieses Ausgleichs zu kontrollieren.

  • Preload (Vorspannung): Dies ist die Grundsperrwirkung des Differenzials, die auch dann aktiv ist, wenn weder Gas gegeben noch gebremst wird. Eine höhere Vorspannung sorgt für mehr Stabilität in der Übergangsphase zwischen Bremsen und Beschleunigen, kann aber zu Untersteuern führen, da die Räder stärker aneinandergekoppelt sind.[26, 27]
  • Power Ramp / Lock (Sperrwirkung unter Last): Kontrolliert die Sperrwirkung beim Beschleunigen. Eine hohe Sperrung (locked) zwingt beide Antriebsräder, sich mit ähnlicher Geschwindigkeit zu drehen. Dies kann die Traktion auf Geraden verbessern, führt aber am Kurvenausgang oft zu Übersteuern, da das innere Rad zum Durchdrehen gezwungen wird.[3, 27] Eine geringere Sperrung (open) erlaubt mehr Drehzahlunterschied und hilft, das Übersteuern am Ausgang zu kontrollieren, kann aber dazu führen, dass das entlastete innere Rad durchdreht.[11, 26]
  • Coast Ramp / Lock (Sperrwirkung im Schiebebetrieb): Kontrolliert die Sperrwirkung beim Bremsen oder Ausrollen. Eine hohe Sperrung stabilisiert das Fahrzeug am Kurveneingang, da sie ein "Hereindrehen" des Hecks unterbindet, was aber zu Untersteuern führen kann.[3, 27] Eine geringere Sperrung verbessert die Rotation des Fahrzeugs in die Kurve hinein, kann aber das Heck instabiler machen.[3]

4.2 Fahrhilfen (TC & ABS): Das elektronische Sicherheitsnetz

Moderne Rennwagen verfügen über hochentwickelte, einstellbare Fahrhilfen, die als Sicherheitsnetz dienen und die Performance optimieren.

  • ABS (Anti-Blockier-System): Verhindert das Blockieren der Räder beim Bremsen. In LMU ist das ABS mehrstufig einstellbar. Höhere Stufen greifen früher und stärker ein, was das Bremsen bei Nässe oder mit kalten Reifen sicherer macht, aber den Bremsweg tendenziell verlängert. Niedrigere Stufen erlauben einen potenziell kürzeren Bremsweg und geben mehr Feedback, erfordern aber mehr Feingefühl vom Fahrer, um ein Blockieren zu vermeiden.[28] Interessanterweise scheint in der aktuellen Version von LMU eine hohe ABS-Einstellung für LMGT3-Fahrzeuge oft die schnellste zu sein, da sie in Kombination mit einer hecklastigen Bremsbalance die Rotation unterstützt.[29]
  • Traktionskontrolle (TC): Verhindert das Durchdrehen der Antriebsräder beim Beschleunigen. In LMU ist die TC in drei separate Parameter aufgeteilt, die ein komplexes Zusammenspiel ermöglichen [29]:
    • TC (Haupt-TC): Die generelle Empfindlichkeit und Stärke des Eingriffs.
    • TC Power Cut: Bestimmt, wie stark die Motorleistung reduziert wird, wenn Schlupf erkannt wird. Ein niedriger Wert erlaubt mehr Radschlupf, während ein hoher Wert die Leistung aggressiv kappt.
    • TC Slip Angle: Definiert den maximal zulässigen Gierwinkel (Driftwinkel) des Fahrzeugs, bevor die Traktionskontrolle eingreift.
    • Strategie: Eine beliebte Strategie für eine gute Rotation am Kurvenausgang ist die Kombination von niedrigen Werten für Power Cut und Slip Angle mit einem mittleren bis hohen Wert für die Haupt-TC. Dies erlaubt dem Fahrer, das Heck mit dem Gaspedal leicht rotieren zu lassen, bevor das System eingreift und einen kompletten Dreher verhindert.[29]

4.3 Getriebeübersetzung (Gearing): Anpassung an die Strecke

Die Anpassung der Getriebeübersetzung ist entscheidend, um die Motorleistung optimal zu nutzen.

  • Realismus: Die Einstellmöglichkeiten sind in LMU realistisch und klassenspezifisch. GT3-Fahrzeuge haben aufgrund der Balance of Performance (BoP) oft homologierte, feste Übersetzungen und erlauben keine Änderungen. Prototypen wie die Hypercars bieten hingegen mehr Freiheiten, insbesondere bei der Anpassung der Endübersetzung ("Final Drive").[30]
  • Anpassung (falls möglich): Das Hauptziel ist es, die Endübersetzung so zu wählen, dass der Motor im höchsten Gang am Ende der längsten Geraden der Strecke seine maximale Drehzahl erreicht, aber nicht in den Begrenzer läuft.[31] Kürzere Übersetzungen verbessern die Beschleunigung, opfern aber Endgeschwindigkeit, während längere Übersetzungen umgekehrt wirken.

Das Differenzial und die Traktionskontrolle sollten nicht als isolierte Systeme betrachtet werden. Sie bilden eine Einheit zur Kontrolle des Hecks am Kurvenausgang. Ein Fahrer, der das Auto gerne mit dem Gaspedal lenkt, könnte eine aggressivere Differenzialeinstellung (mehr Sperrung) wählen, die mechanisch für Traktion sorgt, und dies mit einer sensibleren TC-Einstellung (niedriger Slip Angle) kombinieren, um mehr Rotation zuzulassen. Ein anderer Fahrer, der einen stabileren Kurvenausgang bevorzugt, könnte ein offeneres Differenzial (weniger Sperrung) mit einer weniger intrusiven TC-Einstellung fahren. Die optimale Kombination ist stark vom individuellen Fahrstil abhängig.

Sektion 5: Verzögerung und Rotation - Das Bremssystem

Ein effektives Bremssystem verlangsamt nicht nur das Auto, sondern ist auch ein entscheidendes Werkzeug, um die Fahrzeugbalance am Kurveneingang zu beeinflussen.

5.1 Bremsdruck & Bremsbalance (Brake Pressure & Bias)

  • Bremsdruck (Pressure): Stellt die maximale Bremskraft ein, die bei 100% Pedaldruck erzeugt wird. Dieser Wert sollte so hoch wie möglich eingestellt werden, ohne dass die Räder bei starkem Bremsen auf gerader Strecke sofort blockieren.
  • Bremsbalance (Bias): Verteilt die Bremskraft zwischen der Vorder- und Hinterachse. Dies ist eine der wichtigsten Einstellungen, die während der Fahrt angepasst werden können und müssen.
    • Nach vorne verschieben (z.B. 55% oder mehr auf die Vorderachse): Dies erhöht die Stabilität beim Anbremsen, da die Vorderräder die meiste Arbeit verrichten. Der Nachteil ist eine Tendenz zum Untersteuern am Kurveneingang, da die Vorderräder überlastet werden.[3]
    • Nach hinten verschieben (z.B. unter 54%): Dies hilft dem Auto, in die Kurve hinein zu rotieren, da die Hinterräder stärker mitbremsen und das Heck leicht wird. Dies ist die Grundlage für die "Trail Braking"-Technik. Der Nachteil ist ein erhöhtes Risiko, dass die Hinterräder blockieren und das Heck ausbricht.[3, 32]

5.2 Bremsmigration (Brake Migration - nur Hypercars): Dynamische Bremsbalance

Dies ist ein fortschrittliches System, das exklusiv in den Hypercars zu finden ist und eine dynamische Anpassung der Bremsbalance ermöglicht.

  • Funktion: Die Bremsmigration verschiebt die Bremsbalance automatisch, abhängig davon, wie stark der Fahrer das Bremspedal betätigt.[29]
  • Anwendung: Eine typische Einstellung (z.B. 1.0F) verschiebt die Balance bei 100% Pedaldruck weiter nach vorne (z.B. von 55% auf 56%). Wenn der Fahrer den Bremsdruck reduziert (Trail Braking), wandert die Balance wieder zurück zum ursprünglichen Wert. Dies bietet das Beste aus beiden Welten: maximale Stabilität in der harten, anfänglichen Bremszone, wenn der aerodynamische Anpressdruck am höchsten ist, und verbesserte Rotation beim Einlenken, wenn der Bremsdruck nachlässt.[29] Die Beherrschung dieses Systems ist ein Schlüssel zur Maximierung der Performance in der Hypercar-Klasse.

Sektion 6: Spezifische Systeme - Hypercar-Energiemanagement

Das Hybridsystem der WEC-Fahrzeuge ist auf Effizienz ausgelegt und unterscheidet sich grundlegend von Systemen wie KERS in der Formel 1.

6.1 Virtuelle Energie & Hybridsystem

  • Konzept: Das Hybridsystem dient primär der Treibstoffersparnis. Die Gesamtleistung aus Verbrennungsmotor und Elektromotor ist durch das Reglement streng begrenzt. Wenn der E-Motor Leistung abgibt, wird die Leistung des Verbrenners entsprechend reduziert, sodass die Gesamtleistung konstant bleibt.[33]
  • Virtuelle Energie: Dies ist ein von LMU genutztes Konzept, das den gesamten erlaubten Energieverbrauch pro Stint (eine Kombination aus Benzin und elektrischer Energie) darstellt. Der Fahrer muss einen Boxenstopp einlegen, bevor dieser Wert 0% erreicht, andernfalls wird das Fahrzeug disqualifiziert oder verlangsamt.[7, 34]

6.2 Motor-Mapping & Rekuperation (Motor Map & Regen)

Diese beiden Einstellungen werden während der Fahrt ständig angepasst, um die Batterieladung zu managen.

  • Motor Map: Steuert, wie viel der gespeicherten elektrischen Energie beim Beschleunigen eingesetzt wird. Eine höhere Map-Einstellung setzt mehr elektrische Energie ein, was den Benzinverbrauch senkt, aber die Batterie schneller entlädt.[7, 35]
  • Rekuperation (Regen Level): Steuert, wie stark der Elektromotor beim Bremsen als Generator arbeitet und Energie in die Batterie zurückspeist. Ein hoher Rekuperationslevel lädt die Batterie schneller auf und erzeugt eine starke motorbremsende Wirkung, die die mechanischen Bremsen unterstützt.[7, 29]
  • Strategie: Der entscheidende Punkt ist, die Batterieladung immer zwischen 1% und 99% zu halten. Erreicht die Batterie 100%, kann keine weitere Energie rekuperiert werden. Dies führt zu einem plötzlichen und unerwarteten Verlust der motorbremsenden Wirkung, was die gesamte Bremsbalance des Fahrzeugs verändert, die Bremswege verlängert und den Fahrer überraschen kann.[7, 29] Ein konsequentes Management von Motor Map und Rekuperation ist daher für eine konstante Performance unerlässlich.

Sektion 7: Praktische Anwendung - Setup-Fehlerbehebung

Diese Tabelle dient als praktisches Werkzeug, um gängige Fahrprobleme durch gezielte Setup-Änderungen zu beheben. Sie übersetzt das subjektive Fahrerfeedback in konkrete, priorisierte Lösungsansätze.

| Problem (Symptom) | Phase der Kurve | Primäre Lösung | Sekundäre Lösung | Anmerkungen / Wechselwirkungen | | :--- | :--- | :--- | :--- | :--- | | Untersteuern (Auto lenkt nicht ein) | Kurveneingang (beim Bremsen) | Bremsbalance nach hinten verschieben [3] | Coast-Sperrwirkung im Diff. verringern [3] | Erhöht das Risiko des Blockierens der Hinterräder. | | Untersteuern (Auto schiebt über Vorderräder) | Kurvenmitte | Vorderen Stabilisator (ARB) weicher stellen [3] | Hinteren Stabilisator (ARB) härter stellen [18] | Weicherer vorderer ARB kann die Reaktion bei schnellen Richtungswechseln verlangsamen. | | Untersteuern (keine Traktion an Vorderachse) | Kurvenausgang (beim Beschleunigen) | Hinteren Stabilisator (ARB) härter stellen [3] | Power-Sperrwirkung im Diff. erhöhen [3] | Härterer hinterer ARB kann zu plötzlichem Übersteuern führen, wenn man vom Gas geht. | | Übersteuern (Heck bricht aus) | Kurveneingang (beim Bremsen) | Bremsbalance nach vorne verschieben [3] | Coast-Sperrwirkung im Diff. erhöhen [3] | Reduziert die Bereitschaft des Autos, in die Kurve einzudrehen. | | Übersteuern (Heck ist nervös) | Kurvenmitte | Vorderen Stabilisator (ARB) härter stellen [3] | Hinteren Stabilisator (ARB) weicher stellen [3] | Härterer vorderer ARB führt zu mehr Untersteuern. | | Übersteuern (Heck bricht beim Beschleunigen aus) | Kurvenausgang | Hinteren Stabilisator (ARB) weicher stellen [3] | Power-Sperrwirkung im Diff. verringern [11] | Erhöht das Risiko von durchdrehenden Innenrädern und Untersteuern am Ausgang. | | Instabilität auf Geraden | Geradeausfahrt | Vorspur an der Vorderachse erhöhen [3] | Sturzwerte (negativ) reduzieren [3] | Mehr Vorspur kann das Einlenkverhalten träger machen. | | Auto setzt auf (Bottoming out) | Hohe Geschwindigkeit / Kompressionen | Bodenfreiheit erhöhen [16] | Packers / 3. Federelement härter stellen [16] | Höhere Bodenfreiheit verschlechtert die Aerodynamik und erhöht den Schwerpunkt. | | Auto ist unruhig über Kerbs | Überfahren von Kerbs | Fast Bump / Rebound Dämpfer weicher stellen [1] | Federn weicher stellen [3] | Weichere Dämpfer können die Reaktion des Autos träger machen. |

Schlussfolgerung: Der Weg zum perfekten Setup

Die Entwicklung eines Fahrzeug-Setups ist ein iterativer Prozess, der Geduld, ein systematisches Vorgehen und die Fähigkeit erfordert, das Verhalten des Fahrzeugs zu "lesen". Es gibt kein universell perfektes Setup. Die optimale Konfiguration ist immer eine maßgeschneiderte Lösung, die auf das Fahrzeug, die Strecke, die Bedingungen und vor allem auf den individuellen Fahrstil des Piloten zugeschnitten ist.

Dieser Guide hat die grundlegenden Prinzipien und die Funktion jeder einzelnen einstellbaren Komponente in Le Mans Ultimate detailliert beschrieben. Der Schlüssel zum Erfolg liegt darin, diese Prinzipien zu verinnerlichen und zu verstehen, wie die verschiedenen Systeme miteinander interagieren. Ressourcen wie Online-Setup-Datenbanken [36] können ein hervorragender Ausgangspunkt sein, sollten aber nicht blind kopiert werden. Nutzen Sie das hier erlernte Wissen, um zu verstehen, warum ein bestimmtes Setup funktioniert, und passen Sie es an Ihre eigenen Bedürfnisse an.

Letztendlich macht ein gutes Setup einen langsamen Fahrer nicht automatisch schnell. Aber es gibt einem schnellen und konstanten Fahrer das Vertrauen und das Werkzeug, um das volle Potenzial des Fahrzeugs und seiner eigenen Fähigkeiten auszuschöpfen. Der Weg zum perfekten Setup ist eine Reise des kontinuierlichen Lernens und Experimentierens – eine der lohnendsten Herausforderungen im Sim-Racing.

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